Seit Anfang des Jahres wurden in ganz Europa geringe Mengen des Radionnuklids Jod-131 gemessen. Seither rätselten Experten über die Quelle des radioaktiven Jods. Doch wie sich nun herausstellte, war weder ein Vorfall in einem Atomkraftwerk noch eine Störung in einem Pharmaunternehmen für die radioaktive Strahlung verantwortlich. Vielmehr dürfte deutscher Sondermüll die Ursache sein, der seit Anfang des Jahres in der Thermischen Abfallverwertungsanlage Zwentendorf in Niederösterreich verbrannt wird.
Groß war die Aufregung, als Ende letzten Jahres bekannt geworden war, dass tonnenweise Müll aus Italien nach Niederösterreich transportiert werden sollte, um in der Müllverbrennungsanlage Zwentendorf offene Kapazitäten aufzufüllen. Der Müll aus Italien war qualitativ dem österreichischen weit überlegen, enthielt er doch auf Grund der fehlenden Mülltrennung in unserem südlichen Nachbarland einen sehr hohen Plastikanteil. Der Italo-Müll konnte also wesentlich effizienter und gewinnbringender verbrannt werden, weshalb sich die erhitzten Gemüter rasch wieder beruhigten.
Das Geschäft mit dem italienischen Müll lief bestens, war allerdings von Anfang an lediglich als Interimslösung ausgelegt gewesen und somit leider nur von kurzer Dauer. Da kam es gerade recht, dass Anfang des Jahres die EVN, der Betreiber der Thermischen Abfallverwertungsanlage Zwentendorf/Dürnrohr, einen besonders lukrativen Deal mit einer deutschen Mülldeponie abschließen konnte, der für beide Seiten eine echte Win-Win-Situation brachte.
Die Lagerung von Sondermüll ist auf Grund strenger Auflagen in Deutschland mit enormen Kosten verbunden, so dass sich ein Mülldeponiebetreiber aus Gorleben (Niedersachsen) auf die Suche nach billigeren Alternativlösungen begab. Durch das Medienspektakel in Österreich rund um die italienischen Mülltransporte war das Abfalllager aus Gorleben auf die niederösterreichische Verbrennungsanlage aufmerksam geworden. Da im Ort Zwentendorf in einem ehemaligen Kraftwerk zufällig Lagerräume vorhanden waren, die für den deutschen Müll geradezu ideal waren, und auch die Bedingung der Österreicher, den Müll ausschließlich mit der Bahn anzuliefern, kein Problem darstellte, konnte schon wenige Tage später ein für beide Seiten höchst zufriedenstellender Vertrag unter Dach und Fach gebracht werden.
Die Mitarbeiter der Verbrennungsanlage in Zwentendorf sind voll des Lobs für den deutschen Qualitätsmüll. Josef Ferstlmaier, direkt am Ofentürl der Anlage tätig, kommt regelrecht ins Schwärmen, wenn er auf den ‘besonderen Müll’ – wie dieser in der Anlage bereits liebevoll genannt wird – zu sprechen kommt: “Der Müll von den Katzelmachern war im Vergleich zum heimischen Müll echt spitze. Aber dieser deutsche Sondermüll haut einen fast um. Das Zeug brennt wie Zunder und entwickelt eine unglaubliche Hitze. Das merkt man schon allein an der Strahlung, die der Ofen annimmt. Schade eigentlich, dass wir immer nur geringe Mengen gemeinsam mit dem restlichen Müll verbrennen dürfen. Aber sonst würde es uns wahrscheinlich den Ofen um die Ohren hauen!”
Auch beim Betreiber EVN ist man rundum zufrieden mit der erzielten Heizleistung und der reibungslosen Zusammenarbeit mit dem Abfalllager Gorleben. Besonders stolz ist man jedoch auf den Preis, den man mit den Deutschen erzielen konnte. EVN-Sprecher Rudolf Seebacher: “Ein Wahnsinn, die Piefkes zahlen fünfmal soviel für ihren Müll wie die Italiener! Wir haben bei den Verhandlungen eigentlich nur geblufft, aber die sind sofort auf unsere Preisvorstellungen eingegangen!” Und verschmitzt fügt er noch hinzu: “Bist du deppert, die haben wir ordentlich über den Tisch gezogen!”