Eigentlich hatten ja viele im Falle einer türkis-blauen Regierung mit der Abschaffung diverser Zwangsmitgliedschaften gerechnet. Doch Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl konnten das Koalitionsverhandlungsteam von ÖVP und FPÖ offenbar von der Sinnhaftigkeit einer Pflichtmitgliedschaft überzeugen, so dass dieses Erfolgsmodell nun sogar ausgebaut werden soll und eine verfassungsrechtlich verankerte Mitgliedschaft für Autofahrer beim ÖAMTC überlegt wird.
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl begründet den Meinungsschwenk seiner Partei folgendermaßen: “Wir waren ja einigermaßen skeptisch, was die Zwangsmitgliedschaft zu den Kammern betrifft. Aber der Rudi Kaske und der Chris Leitl konnten uns geradezu sagenhafte Zufriedenheitswerte ihrer Mitglieder präsentieren. Und das Argument, dass eben nur mit einer Pflichtmitgliedschaft sichergestellt sei, dass die diversen Top-Service-Angebote der beiden Kammern wirklich allen zugute kommen, war für die Fairness-Partei FPÖ natürlich von größter Bedeutung. Und – das möchte ich an dieser Stelle besonders betonen – es gehört für mich ganz klar zum neuen Stil in der Politik, dass man seine Meinung auch einmal ändern darf!”
Elisabeth Köstinger aus dem ÖVP-Verhandlungsteam erörtert, wie man auf die Idee mit der Pflichtmitgliedschaft zum ÖAMTC gekommen sei: “Es verhält sich ein wenig wie mit Versicherungen: Sowohl bei der AK als auch bei der WK ist es ja eigentlich so, dass man sie in der Regel nicht wirklich benötigt. Nur im Problemfall wendet man sich an die jeweiligen Servicestellen. Beim ÖAMTC ist es ähnlich, den brauchst du genau dann, wenn’s einmal Brösel mit dem Auto gibt. Mit der ÖAMTC-Pflichtmitgliedschaft möchte eine soziale Gerechtigkeitspartei wie die ÖVP sicherstellen, dass in so einem Fall wirklich niemand mehr liegengelassen wird. Und ich bin einigermaßen guter Dinge, dass wir die NEOS zwecks Verfassungsmehrheit ins Boot holen können.”
Das Einheben des Mitgliedsbeitrags soll über die Kfz-Werkstätten abgewickelt werden, die diesen bei den Kosten für die §57a-Begutachtung (Pickerl) aufschlagen und in Folge an den ÖAMTC weiterleiten. Übrigens: Wer das Service-Angebot des ÖAMTC nicht ausreichend findet, wird selbstverständlich nicht daran gehindert, einem weiteren Verkehrsclub wie dem ARBÖ oder VCÖ beizutreten. Ob es noch zu weiteren neuen Zwangsmitgliedschaften kommen wird, ist laut Verhandlern noch offen. Raiffeisen hat jedenfalls schon einmal Interesse an einem ähnlichen Pflichtmodell für die private Pensionsvorsorge bekundet.