Kaum ein Unternehmen in Österreich wäre von der Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages so betroffen wie die ÖBB: Der noch unter dem ehemaligen ÖBB-Chef Christian Kern ausverhandelte Kollektivvertrag sieht bis zu 15 Stunden Höchstarbeitszeit für fahrplangebundenes Personal vor. So gesehen war es nur zu verständlich, dass Anfang dieser Woche rund 10.000 Eisenbahner Betriebsversammlungen abhielten, um die negativen Auswirkungen zu besprechen, die bei der von Türkis-Blau angekündigten Einführung eines 12-Stunden-Arbeitstages den ÖBB-Mitarbeitern drohen.
Roman Hebenstreit, Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der ÖBB, zeigt sich kämpferisch: “Die Mehrzahl der Mitarbeiterinen und Mitarbeiter befürwortet die bisherige 15-Stunden-Flexibilität. Viele nützen diese, um beispielsweise eine 3-Tage-Woche zu realisieren. Zwar betont die Regierung bei ihrem Vorhaben die Freiwilligkeit, es ist allerdings zu befürchten, dass unsere Mitarbeiter von der Konzernführung dazu gezwungen werden, bereits nach 12 Stunden Signalpfeife und Lokschlüssel aus der Hand zu geben. Auch wenn dieser für andere Berufsgruppen durchaus sinnvoll erscheinen mag – wir bei den ÖBB lehnen den 12-Stunden-Arbeitstag jedenfalls strikt ab!”
Wenig Verständnis für die Betriebsversammlungen bei den ÖBB zeigt hingegen Verkehrsminister Norbert Hofer: “Mehrere Arbeitsstudien haben gezeigt, dass bei zu langer Arbeitszeit sowohl Leistungsfähigkeit als auch Konzentration nachlassen und in Folge das Unfallrisiko steigt. Auch wenn sich die Gewerkschaft das Privileg der 15-Stunden-Flexibilität bei den ÖBB natürlich nicht einfach nehmen lassen möchte – aus arbeitsmedizinischer Sicht und zur Sicherheit der Fahrgäste spricht alles für die Einführung des 12-Stunden-Tags!”
Die von SPÖ-Chef Christian Kern angekündigte Volksabstimmung zur Arbeitszeit begrüßt Gewerkschafter Hebenstreit: “Christian Kern hat uns damals als ÖBB-Chef in unseren Bemühungen um einen 15-Stunden-Tag und die damit einhergehende Flexibilität für die Mitarbeiter tatkräftig unterstützt. Umso erfreulicher ist es, dass er auch jetzt als Oppositionspolitiker nicht einfach blind jedem Populismus verfällt und weiterhin zu seinen Überzeugungen von damals steht!”